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Golf und die Philosophie

Golf ist die philosophischste aller Sportarten… behauptet unser Gastautor, der Schwarze Peter. Wie kommt er darauf? Weil er, wie viele andere, im fortgeschrittenen Alter begonnen hat, den Schläger zu schwingen. Bereits beim ersten Ballkontakt hat er sich mit dem Golf-Virus infiziert.


Seine Leidenschaft für diesen altehrwürdigen Sport geht so weit, dass er Beziehungen vernachlässigt und statt von Frauen vom perfekten Golfschwung träumt. Bei jeder Gelegenheit doziert er von der philosophischen Komponente, die dem Golfsport innewohnt. Bisweilen klingt er wie ein Alkoholiker, der seinen Rotweinkonsum mit der förderlichen Wirkung auf die Herzkranzgefäße rechtfertigt.

 

Nicht-Eingeweihte sehen in Golf einen Rentnersport oder eine Spielwiese für Geschäftsleute, die zwischen zwei Abschlägen en passant millionenschwere Verträge abschließen.

 

Wer sich auf dieses wunderbare Spiel einlässt, merkt schnell, dass es sich meist um Vorurteile handelt. Übrigens sind Vorurteile eine evolutionär erfolgreiche Eigenschaft, sich in der Welt zurechtzufinden. Vor allem in vorzivilisatorischen Zeiten war es überlebenswichtig, sein Gegenüber in Sekundenschnelle einzuschätzen, um mit Angriff, Flucht, Verstecken oder freundlicher Annäherung zu reagieren.

 

Wo war ich? Ach so ja, beim Image des Golfs als gemächlicher und elitärer Zeitvertreib. Tatsächlich ist Golf ein extrem herausfordernder Sport… emotional, kognitiv, technisch und körperlich. Wie bei der Philosophie reicht beim Golf ein Menschenleben nicht aus, um zu vollkommener Reife zu gelangen.

 

 

Eine emotionale Achterbahnfahrt

 

Der Schwarze Peter erinnert sich peinlich berührt an die Anfänge seines Philosophiestudiums. Nach der ersten Vorlesung fühlte er sich als wiedergeborener Platon. Ein Paradebeispiel für Hybris, die aber nur von kurzer Dauer war. Angesichts der Menge an nachfolgendem Lernstoff hat sich seine Euphorie in Demut gewandelt. Wie sagte Sokrates:

 

„Von mir selbst wusste ich, dass ich gar nichts weiß, um es geradeheraus zu sagen.“

 

Diese antike Erkenntnis hat den Schwarzen Peter nicht davon abgehalten, Jahre später erneut mit Verve in die Hybris-Falle zu tappen. Nach dem ersten (zufällig) gelungenen Golfschlag fühlte er sich wie Tiger Woods. Er dachte, es würde von nun an stetig bergauf gehen. Rückschläge… passieren den anderen. In dieser von Selbstüberschätzung dominierten Zeit war kein Raum für eine realistische Beurteilung seiner Fähigkeiten.

 

Was Sidney L. James über die Arroganz des Golfnovizen geschrieben hat, gilt eins zu eins für die Philosophie:

 

„Wenn die Zuversicht am größten, das Glück unbeschreiblich ist, wird der Spieler gezüchtigt werden. Er wird wieder Demut kennenlernen.“

 

Und weiter:

 

„Golf ist der demütigste Zeitvertreib des Menschen. Vielleicht ist es aus diesem Grund das beste Spiel, das man wählen kann.“

 

Es wird – was dem Schwarzen Peter nicht bewusst war – auf einem fünfzehn Zentimeter großen Platz gespielt: nämlich zwischen den Ohren (Bobby Jones). Golf ist zuvorderst ein mentales Spiel. Alles, was auf dem Platz passiert, muss zuvor im Kopf geschehen. Wenn die (im Sinne des Wortes) Fehlschläge am Selbstwertgefühl schaben, kann stoische Gelassenheit helfen.

 

 

Für und Wider

 

Für Gregor Eisenhauer gibt es tausend gute Gründe, nicht Golf zu spielen. Eine maßlose Übertreibung… findet unser Philosoph. Er hat nachgezählt und lediglich eine Handvoll gefunden. Was definitiv stimmt: Golf ist teuer, zeitintensiv und technisch komplex.



Angeblich handelt es sich um die zweitschwierigste Sportart nach Stabhochsprung. Deshalb ist auf jedem Niveau mit Rückschlägen zu rechnen. Wie in der Philosophie bleiben Sinnkrisen und Selbstzweifel nicht aus. Hinzu kommt:

 

„Der Golfanfänger, so er nicht von vornherein aus niederen Motiven (z. B. aus Statusgründen, Anm. d. Verf.] zum Schläger greift, ist der einsamste Mensch der Welt.“ (Eisenhauer) 

 

Eine erstaunliche Behauptung, wenn man bedenkt, dass Golf ein geselliger Sport ist, den man selten alleine ausübt. Der Schwarze Peter vermutet, dass die permanente gedankliche Beschäftigung mit den eigenen Unzulänglichkeiten und der Rückzug vom Alltag zur Vereinsamung beiträgt. Angeblich haben sich unzählige Golfer um ihre Partnerschaft und berufliche Existenz gebracht… wie andere Suchtkranke auch.

 

„Ein Mensch, der sich Tage und Jahre hinweg ausschließlich darauf konzentriert, einen kleinen Ball mit einem Eisen über den Rasen zu jagen, verkümmert notwendig, seelisch wie körperlich.“ (Eisenhauer)

 

Es bedarf keiner regen Phantasie, um diese Worte auf die nervensaftzehrende Philosophie zu übertragen. Der Schwarze Peter erinnert sich an unzählige Stunden, die er einsam lesend oder schreibend am Schreibtisch zugebracht hat. Wie er wegen eines einzigen unverständlichen Satzes in Kants Kritik der reinen Vernunft sein soziales Umfeld mitsamt seiner Freundin vernachlässigt hat.

 

 

1 + 1 = 3

 

Wer als Philosoph den Weg in die Verschrobenheit, Eigenbrötlerei beschleunigen möchte, fängt am besten mit Golfen an. Warum? Weil beiden Tätigkeiten das überbordende Denken, die permanente geistige und zeitliche Beanspruchung innewohnen. Nie kommen die Gedanken längerfristig zur Ruhe. Ständig arbeitet das Gehirn im roten Drehzahlbereich. Die Befindlichkeit oszilliert zwischen Euphorie und Niedergeschlagenheit, zwischen Hybris und Demut. Das gilt für die Philosophie und den Golfsport. Wobei es beim Golfen um die Balance zwischen Konzentration und Lockerheit, kurz gesagt um ein aktives Fließen-lassen geht. Was zunächst widersprüchlich erscheint, ist für Golfer der Schlüssel zum Erfolg.

 

„Golf, das ist: mühelose Kraft, nicht kraftlose Mühe.“ (Eisenhauer)

 

Golf und Philosophie eignen sich für Menschen mit gereifter Persönlichkeit. Es geht darum, im richtigen Moment loszulassen und darauf zu vertrauen, das Dienliche zu tun. Das geht erfolgreicher mit ein paar Jahren Lebenserfahrung auf dem Buckel. Wer sich einlässt, kann damit rechnen, dass sich sein geistiges Betriebssystem – und damit der Blick auf das Leben – grundlegend verändert.

 

 

Die Vorzüge des Golfsports

 

Gregor Eisenhauer hat ein humoriges, launiges und bestens recherchiertes Buch über die Exzentrik des Golfsports geschrieben. Angereichert mit eigenen Erfahrungen dient es dem Schwarzen Peter als Inspiration. Er findet darin Antworten auf die Frage „Warum Golf?“. Der in die Jahre gekommene Schockrocker Alice Cooper gestand, dass er Rock’n’Roll und Golf überlebte, weil er das jeweils andere als Ausgleich hatte. Ist es möglich, dass sich die Herausforderungen, Belastungen und Glückserfahrungen von Philosophie und Golf nicht potenzieren, sondern ausgleichen?

 

Nun will es der Schwarze Peter genauer wissen. Was sind die Pluspunkte? Golf beschwingt, lüftet die Seele und beschert Glücksgefühle. Golf lehrt Bescheidenheit, Demut und Geduld. Mit Golf lassen sich negative Gedanken erfolgreich verdrängen. Außerdem schärft Golf die Aufmerksamkeit für Regeln und Etikette.

 

„Seit meinem 6. Lebensjahr und dem ersten Schlag gegen den weißen Ball bin ich von dieser Vielfältigkeit, aber auch von der Komplexität und der gleichzeitigen Einfachheit dieser Sportart begeistert.“ (Fabian Bünker)

 

Für Fabian Bünker (und den Schwarzen Peter) ist Golf die perfekte Mischung aus mentaler Stärke, einer sehr eleganten Bewegung und vor allem der notwendigen Intelligenz im Spiel.

Was die körperliche Verausgabung angeht, ist die Philosophie im Vorteil, denn der Weg vom Lesesessel zum Bücherregal ist in der Regel kürzer als eine 18-Loch-Golfrunde.

 

  

Golf + Philosophie = ?

 

Wenn die Kombination aus Philosophie und Golf stimmig ist, warum gibt es nicht mehr Golf spielende Philosophen? Vermutlich liegt es daran, dass Golf teuer, ein Philosophiestudium hingegen meist brotlos ist. Deshalb kennt der Schwarze Peter mehr Taxi fahrende als Golf spielende Philosophie-Absolventen.

 

Eine Golf-Weisheit, die ohne Abzug auf das Verständnis philosophischer Theorien anwendbar ist:

 

„Bleiben Sie bescheiden. Denken Sie immer daran: Es gibt unendlich viel mehr Möglichkeiten, den Ball nicht zu treffen, als ihn zu treffen.“ (Eisenhauer)

 

Im Hinblick auf die Philosophie heißt das:

 

„Bleiben Sie bescheiden. Denken Sie immer daran: Es gibt unendlich viel mehr Möglichkeiten, eine philosophische Theorie falsch zu interpretieren, als sie richtig zu verstehen.“ (Schwarzer Peter)

 

Wie auch immer: Philosophie und Golf sind prinzipiell unabgeschlossene Tätigkeiten. Für beide reicht ein Menschenleben nicht aus. Für beide Betätigungen folgt daraus:


"Sie haben keine Ahnung, wie gleichgültig Ihrem Mitspieler Ihre Spielweise ist, sofern Sie zügig spielen und verlieren." (Gregor Eisenhauer)



 

 

Literatur

Eisenhauer, Gregor: Golf. Zehn Lektionen in der Kunst des Scheiterns, 2. Auflage, Heyne Verlag, München 2012.

Bünker, Fabian: Der Handicap-Verbesserer, 5. Auflage, Amazon, 2022.

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